Jetzt ist Schluss. Wir tauschen auf unserem Reisemobil die Stollenreifen endlich gegen eine andere Bereifung.
Vor 13 Jahren haben wir Paula, unseren 911er Allrad-Kurzhauber gekauft und mit ihr seither rund 135.000 Reisekilometer in 57 Ländern zurückgelegt. Vor der Weltumrundung dachten wir, Stollenreifen wären die richtige Wahl, weil wir auf den Reisetreffen damals sehr viele 4×4 Fahrzeuge mit solch einer Bereifung sahen. Selbst hatten wir keinerlei Erfahrung.
Sechs Jahre haben wir uns damit quer durch fünf Kontinente gequält und schon so einiges darüber berichtet. Wer unser Buch „Sechs Jahre Weltumrundung“ kennt, hat in manch absurden Episoden bereits gelesen, wie viel Ärger wir damit hatten. Es scheint ein wahrhaft sensibles Thema in der Reisegemeinde zu sein, sonst wäre der Artikel über „Stollenreifen vs. Straßenreifen“ nicht dauerhaft zum meistgelesenen und meistverlinkten Artikel auf dieser Website avanciert.
In den vergangenen Jahren ohne größere Fernreisen haben wir das Restprofil unserer Continental MPT 81 der Größe 335/80 R20 noch heruntergefahren. Jetzt wird getauscht. Eine weitere längere Reise außerhalb Europas möchten wir aufgrund der Nachteile nicht mehr mit MPT Reifen angehen. Wir sind gespannt, wie sich unsere neue Bereifung Hankook AM15+ 385/65 R22,5 mit sogenanntem „Baustellenprofil“ im Reisealltag bewähren wird.
Was wir uns (nach Priorität sortiert) vom Wechsel auf die Größe 385/65 R22,5 versprechen:
- Weltweit unkomplizierte Verfügbarkeit von Ersatzreifen
- Deutlich weniger Reifenpannen durch höhere Widerstandsfähigkeit
- Geringerer Verschleiß und eine mindestens doppelte km-Laufleistung
- Größere Laufruhe und weniger Lärm durch Abrollgeräusche
- Etwas weniger Lärm durch ~7% geringere Motordrehzahl bei gleicher Geschwindigkeit
- Kein Laufrichtungstausch der Reifen alle 5000 km mehr wegen Sägezahnbildung
- Leicht reduzierter Kraftstoffverbrauch durch bessere Rolleigenschaften
- Selteneres Festfahren bei Normalluftdruck auf kurzen Sandpassagen
Was wir an Nachteilen beim Wechsel auf 385/65 R22,5 erwarten:
- Weniger „offroadiges“ Aussehen des Fahrzeugs
- Weniger Grip im Schlamm und auf nassem Gras, dadurch häufigeres Festfahren
- Mehraufwand durch gelegentliches Aufziehen von Ketten
- Längere Dauer beim Ändern des Reifendrucks durch größeres Füllvolumen
- Erheblich schwierigerer Selbstwechsel der Reifen auf der Felge
- Etwas schwierigeres Handling durch 10 kg Mehrgewicht pro Reifen
- Keine problemlose Fahrbarkeit der neuen Reifen unter 1,4 bar
Nach unzähligen Gesprächen und umfangreichem Erfahrungsaustausch mit anderen Reisenden werden wir es nun mit dieser neuen Reifen-Felgen Kombination versuchen.
Viele haben uns für diese Reifengröße Felgen vom Fahrzeugtechnik Meyer in Mommenheim empfohlen. Das kleine Unternehmen lässt 8-Loch-Felgen mit passender Einpresstiefe ET 110 in der Größe 11,75 R22,5 beim Nachfolgebetrieb des Herstellers ‘Kronprinz’ speziell anfertigen. Eine Eintragung beim TÜV auch mit H-Kennzeichen sollte durch die Hersteller-Freigabe und zahlreiche andere umbereifte Fahrzeuge gleicher Bauart kein großes Problem werden.
Der Termin zum Reifenwechsel in Mommenheim bei Willi und Uli Meyer war schon mal ein Highlight. Beide sind selbst begeisterte Reisemobilfahrer mit vielen interessanten Geschichten auf Lager. So stand Paula direkt mit drei weiteren Rundhaubern in der Halle.
Die 385er Reifen sehen wirklich mächtig aus, auch wenn sie vom Durchmesser nur ein paar Zentimeter größer sind als die alten 335er. Erste positiv Überraschung: Seit neustem tragen die Hankhook AM15+ auch das 3PMSF Schneeflockensymbol. Dies bedeutet, dass sie auch nach dem 1.10.2024 noch als Winterreifen zugelassen sein werden. Zukunftsmusik, aber ein paar Jahre sollten die neuen Reifen schon halten.
Die neu besorgten RUD Greifstegketten passen auch schon mal, wenn auch etwas knapp. Merke: Schneeketten der Unimog-Größe 14,5 R20 (365/80 R20) passen auch auf 385/65 R22,5. Mit rund 28 Kilo je Stück durchaus Extraballast– aber für uns gehören sie definitiv zur Grundausstattung für längere Reisen. Für die 335er MPTs hatten wir auch Ketten im Gepäck, die auf der Weltumrundung mehrfach zum Einsatz kamen. Sie halfen uns im Schnee ebenso wie im tiefen Matsch.
Die Eindrücke einer ersten Fahrt über 400 Kilometer mit den neuem Reifen im direkten Vergleich zu den MPTs:
- Kein wahrnehmbares Abrollgeräusch mehr. Null komma null. Einfach weg.
- Gemessen: 1,5 bis 2 Dezibel weniger Lärm in der Fahrerkabine bei Geschwindigkeiten über 55 km/h.
- 5 % geringere Drehzahl bei gleicher Geschwindigkeit. Nach den Datenblättern und Abrollumfang müsste der Unterschied 7% sein. Woher diese Abweichung zwischen Theorie und Praxis kommt, ist uns noch unklar.
- Optisch macht es einen Unterschied. Weniger Offroad-Look. Ist so, muss man sich daran gewöhnen.
- Nachgewogen: Der Gewichtsunterschied liegt tatsächlich bei nur 10 Kilo je Rad. 335er Conti MPT 81 schlauchlos auf der Lemmerz SCD-Felge: 110 kg je Reifen. 385er AM 15+ auf der Accuride Felge: 120 kg. Nachdem wir jetzt von 2 Ersatzrädern bei den MPTs auf eines bei den 385ern reduzieren heißt das: 60 Kilo weniger Gewicht.
- Gemessene Aufstandsbreite der Reifen: MPT: 26 cm , 385er: 29 cm. Im Datenblatt sind die 385er mit 38,2 cm Gesamtbreite angegeben. Somit sind die Flanken der Reifen ebenso bauchig wie bei den MPTs.
- Gemessen und erstaunlich: Die Reifenhöhe, also der Gummi vom Felgenhorn bis zur Lauffläche ist bei beiden identisch mit ~22cm. Der mit /65 sogenannte ‘Niederquerschnittsreifen’ hat also gleichviel Flankenhöhe wie der /80er MPT.
- Der 385er scheint etwas empfindlicher auf Spurrillen im Asphalt zu reagieren als der MPT.
Der erste Eindruck ist somit insgesamt positiv. Die entscheidenden Aspekte für uns beim Reisen sind die weltweite Verfügbarkeit, Stabilität und Laufleistung. Ob sich unsere Erwartungen diesbezüglich erfüllen und was sich an bisher verborgenen Vor- und Nachteilen beim Tausch vom Geländeprofil auf Baustellenreifen offenbaren wird? Das werden wir herausfinden. Wir halten Euch auf dem Laufenden.
Falls ihr es noch nicht gelesen habt: Unsere Erfahrungen mit MPT-Reifen -> Stollenreifen vs. Straßenreifen
Wie schlagen sich die Baustellenreifen im Reisealltag? -> Die Erfahrungen nach 11.000 Kilometern
7 Responses
Baustellenreifen Erfahrungsbericht | abseitsreisen
[…] Wer erst die Vorgeschichte lesen möchte: → Weltumrundung auf Stollenreifen und der → Bericht zum Reifenwechsel […]
Tobias
Hallo,
gibt es denn nach knapp 2 Jahren Nutzung schon ein Resümee ob der Wechsel eine gute Entscheidung war?
Viele Grüße
Tobi
Oliver
Das Profil vom Hankok ähnelt sehr. dem (365/80R20) BRIDGESTONE M748 (Baustellenprofil)
sollen also ähnliche Eigenschaften haben, und sind evtl stabiler weil sie als Baustellenreifen ausgelegt sind.
Michael Blömeke
Hallo Sabine und Thomas,
euch geht’s hoffentlich gut. Ich hatte euch auf der AA für meinen Podcast workandtravel20.de interviewt.
Ich denke auch gerade über Reifen nach und bin auf euren Artikel gestoßen.
Habt ihr schon Erfahrungen mit den neuen Reifen?
Benutzt ihr zwei oder vier Schneeketten?
Liebe Grüße aus dem Dahner Felsenland
Mitch
Bequem sitzen – Teil 1 | abseitsreisen
[…] 1 ließ sich sofort in die Tat umsetzen. Paula bekam noch auf der Rückfahrt bei Fahrzeugtechnik Meyer in Mommenheim neue Reifen und passende […]
thomas
> Antwort auf den Kommentar von An-Ra
Hallo An-Ra,
wir möchten von den persönlichen Langzeiterfahrungen erst berichten, sofern wir die Reifen ausführlich getestet haben.
Die uns bekannten Erfahrungen anderer Reisender zu den Hankook Reifen sind durchwegs sehr positiv.
Viele Grüße
Thomas
An-Ra
Hallo,
Ich habe mit großem Interesse Ihre Erfahrungen mit der Verwendung von Reifen und der aktuellen Auswahl für Baustellenreifen gelesen. In den kommenden Monaten müssen wir auch einen Reifentyp für unser Reisewagen auswählen. Es wird derzeit vorbereitet und die Wohnkabine wird in etwa zwei Monaten darauf montiert.
Wir entscheiden uns für den Reifen 385/65 r22.5; jetzt noch die markenband.
Sie haben Hancook-Reifen gewählt. Können Sie schon etwas mehr über Ihre Erfahrungen damit sagen?
Wir sind neugierig darauf. Wir würden gerne von Ihnen hören,
An-Ra G Breider
Hauptstraße 117
8162 AD EPE
Die Niederlande